Aktivitäten 2012


DKF gedenkt dem Berberfrühling  am 21.04.2012 in München

Anlässlich des 32. Jahrestages des Berberfrühlings sowie des 11. des Schwarzen Frühlings hat der Verein Deutsch-Kabylische- Freundschaft e.V. eine Konferenz mit Dr. Ouamar, Spezialist für französischsprachige Literatur Nordafrikas organisiert.

In der Konferenz mit dem Thema "Berberfrühling" ging es um den Werdegang der Emanzipationsentwicklung der Berber, die sich auf ganz Nordafrika ausgeweitet hat und auch gefeiert wird. Ein wichtiger Punkt war auch der Kampf der Kabylen für die Unabhängigkeit Algeriens und die Tatsache, dass sie diesen Kampf letzenendes umsonst geführt haben. Die Kabylen haben damals im Namen der Demokratie alles gegeben und ihre Freiheit wiederholt verloren an eine Arabisierungs- und Islamisierungspolitik des neuen Algeriens.

Im Anschluss entwickelte sich eine rege Diskussion unter den Zuhörern. Fragen wie, warum die Jugend nicht die Ideale ihrer Eltern und diesen Freiheitsgedanken weiterleben und wie man den Berbern zu einem neuen Bewusstsein für ihre Kultur verhelfen kann, wurden diskutiert.

Danach folgte ein Diavortrag zum Thema Impressionen aus der Kabylei von Uli Rohde. Hierbei ging es zunächst darum dem deutschen Publikum die Kabylei und ihre Bewohner, später aber auch um ihre Probleme und den Kampf für ihre Kultur.

Paula Barts                                   



Eine gelungene Doppelveranstaltung

Yennayer 2962
Deutsch-Kabylische Freundschaft e.V.lädt herzlich zum Neujahrsfest der Berber ein:

Wann: Samstag, 21. Januar 2012

Wo:     Mehrzweckhalle Niedergailbach, Auf der Au,66453Gersheim

Pauschalbeitrag für Speisen: 10€  für Mitglieder des DKF, 15€  für Besucher

Programm :

18:00   Einlass

18:30   Sektempfang und Begrüßung,

19:00   Essen (Suppe, Couscous, deutsches Dessert )

20:00   Spiele für Groß und Klein, Souvenirverkauf und Tombola

21:30   Live Musik von Madjid Boumrar & Uli Rohde:

             Eine deutsch-kabylische Symbiose

22:15  Tombola-Ziehung

22:45  Tanz und Unterhaltung auf kabylische Art

Bitte unbedingt bis 31.12.2011 anmelden, mit Anzahl der der Personen

unter E-Mail: freunde.der.Kaylei@googlemail.com
Sonntag, 22. Januar 2012 , 14:00 Uhr

Dialog und Austausch mit dem Friedenspreisträger des

deutschen Buchhandels:Boualem Sansal (algerischer Schriftsteller)

 

DKF feierte Yennayer 2962 in Niedergailbach im Saarland am 21.01.2012

und hatte am Folgetag die ganz besondere Ehre den Schriftsteller Boualem Sansal, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2011,

zu empfangen.

Am 22.1.2012 kam Boualem Sansal, der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels auf Einladung des Vereines Deutsch-Kabylische Freundschaft e.V. nach Niedergailbach im Saarland, um über Algerien, den "arabischen Frühling," die Kabylei, den Islamismus und die Autonomie zu sprechen. Sansal ist niemand, der seine Gedanken zurückhalten würde, weder mündlich, noch schriftlich und so kam es an diesem Tag zu einem starken, aber vor allem mutigen Bekenntnis:

Zunächst möchte ich mich sehr herzlich für diese Einladung bedanken, welche Lyazid Abid vor einiger Zeit ausgesprochen hat. Es ist die erste Konferenz mit einem Verein, welcher der Bewegung für die Autonomie der Kabylei nahesteht, mit der Kabylei im Mittelpunkt des Programms. Der ein oder andere mag denken, dass es sich hier lediglich um eine einfache Region Algeriens handelt und ob diese Region autonom ist oder nicht spiele keine Rolle. Dem ist nicht so, denn sie ist sinnbildlich und symbolisch und das ist etwas, das sehr wichtig ist. Die Kabylei ist nämlich das Herz Algeriens. Ohne die Kabylei würde Algerien heute nicht existieren, genau so wenig, wie der Maghreb auch. Der gesamte Maghreb wäre heute noch eine Kolonie. Nach der Kolonialisierung über Jahrhunderte durch die Römer, die Byzantiner, die Vandalen, die Araber, die Türken, die Spanier und die Franzosen, sind sie heute kolonialisiert durch... - und hier liegt das ganze Probleme, denn wir wissen gar nicht wirklich, von wem.

Algerien ist kolonialisiert von Algeriern, welche sich eine Identität gaben, die nicht die ihre ist.

Also bringt die Befreiung Algeriens außerordentliche Schwierigkeiten mit sich. Was eigenartig ist, ist die Tatsache, dass alle Welt immer von der «arabischen Welt» spricht, welche heute nicht von Individuen, aber dafür von einem Mythos kolonialisiert ist. Es existiert hier im Grunde nämlich gar kein arabisches Volk. Es gibt ein marokkanisches, tunesisches, algerisches, irakisches, libanesisches, jemenitisches Volk etc. Die einzig echten Araber sind die Bewohner Arabiens. Folglich sind wir regiert von einem Mythos. Und warum haben wir jenes seit Jahrhunderten akzeptiert, von einem Mythos regiert zu werden? Der Grund hierfür ist die Religion. Es ist deshalb, weil der Islam in Arabien geboren wurde und von dort ist er gekommen, um sich über diese Welt zu verbreiten. Da, wo der Islam hingekommen ist, um sich einzurichten, da hat sich auch die arabische Identität durchgesetzt. In diesem Moment befindet sich das, was wir «arabische Welt» nennen, in einer Revolution. Es ist ein sehr kurioser Kampf der obendrein schwer anzuführen ist. Die erste Kampfhandlung ist natürlich jene, die Diktatoren davonzujagen - eine eindeutige Sache die, so meine ich, relativ einfach ist. Die Diktatoren, wie ich es in meiner Rede (zur Friedenspreisverleihung) sagte, fallen um wie die Fliegen.

Aber der zweite Kampf ist um einiges komplizierter.

Man muss seine Identität wiederentdecken. Jenes ist ein sehr komplexer Kampf, welcher auf ein Hindernis stoßen wird, welches ein Bollwerk von enormer Stärke ist – die Religion. Ich will damit sagen, dass diese Völker ihre wirkliche Identität nur in einer demokratischen und laizistischen Umgebung wiederfinden können. So sehr sie unter der Beeinflussung der Religion stehen, genauso sehr besteht auch fort, sich selbst als einen Araber zu sehen, bevor sie sich selbst sehen, nämlich als Kabylen oder Tuareg etc. Die Diktatoren, die sich in diesen Ländern eingerichtet haben, haben das sehr genau verstanden. Sie haben den Islam instrumentalisiert und ihn den Gesellschaften aufgezwungen. Beim Heranzüchten der Supermoslems, der Islamisten, ist auch das Gefühl ein Araber zu sein stärker geworden. Sehen Sie, der Kampf von heute, das ist ebendieser. Die erste Etappe besteht darin die Diktatoren zu verjagen. In Algerien und überall anders sind die Diktatoren in einer verzwickten Lage: einige wurden ermordet, andere wurden anderweitig aus dem Verkehr gezogen und die anderen werden nicht auf sich warten lassen sich auch aus dem Staub zu machen. Die zweite Etappe, um seine Identität wieder aufzunehmen besteht darin, den Islamismus aus unseren Regionen zu vertreiben. Jenes wird der Moment sein, in dem die Leute ganz von selbst ihre Identität wiederfinden.

Jetzt werde ich Ihnen sagen, was mir mein Gefühl sagt über das, was passiert ist, seit der arabische Frühling begonnen hat. Ich fühle mich diesen Ereignissen sehr verbunden, mit den Weggefährten, Schriftstellern, Journalisten und Intellektuellen Ägyptens, Libyens und Tunesiens. Je mehr Zeit verstreicht, desto pessimistischer bin ich allerdings. Besonders die Jungen haben revoltiert. Sie haben es geschafft die Diktatoren zu verjagen, aber die Regime selbst sind immer noch da. Die Diktatoren, haben die Islamisten hoffähig gemacht, um ihnen die Macht zu übergeben, weil die Islamisten sie in ihrer falschen Identität bestärken und demzufolge wäre die Diktatur wieder auf dem Vormarsch, die Macht wieder zu ergreifen.

Ich hatte große Hoffnung für Algerien, denn in Algerien, da gibt es die Kabylei. Die Kabylei, das ist eine ganz besondere Region, in der ganzen Welt. Es ist eine Region, die immer die gleiche geblieben ist, durch all die Jahrhunderte hindurch.

Sie hat ihre reichhaltige Identität bewahrt und ist sehr einflussreich. Trotz der Tatsache, dass die Kabylen verstreut auf der Welt leben, haben sie ihre kabylische Ader erhalten können. Sie ist in ihnen drinnen, sie leben sie. Sie haben diese Fähigkeit, welche wir woanders nicht wiederfinden können, welche allerdings zerstört wurde von der arabischen Kultur. Ich kann Ihnen das hier so einfach sagen, weil ich selbst kein Kabyle bin. Ich bin zwar ein Berber, kein Kabyle. Sie sind der Welt gegenüber sehr aufgeschlossen. Der Kabyle hat eine natürliche Tendenz auf andere zuzugehen, sich ihnen anzunähren und sie zu verstehen. Er ist mutig. Und die ganzen Jahrhunderte hat er gekämpft. Seine Geschichte ist eine heroische. Sie haben sich gegen alle aufgelehnt, die versuchten sie zu erobern. Vielleicht liegt es daran, dass sie in den Bergen leben und es leichter ist, ein Land von den Bergen aus zu verteidigen. Und obendrein sind sie auch noch große Geschäftsleute. Sie haben die Fähigkeit Vermögen zu bilden. Und für die Wirtschaft ist das eine unerlässliche Bedingung, um weiterhin zu existieren. Ohne Wirtschaft, ohne grundlegende Mittel, verschwinden die Völker.

Seit der Unabhängigkeit Algeriens im Jahre 1962 sind jegliche Kämpfe für die Emanzipation, den Fortschritt und die Demokratie in Algerien von den Kabylen ausgegangen, und durchgeführt worden. Leider haben diese Revolten, diese Bewegungen des Protests, diese Aktionen für die Demokratie und die Freiheit, die aus der Kabylei entsprungen sind, keine Anhänger beim Rest der Bevölkerung gefunden. Wenn sich die Algerier bereits 1980 über die Wichtigkeit der Geschichte, welche sich in diesem Moment in Tizi Wezzu abspielte bewusst gewesen wären, dann wären wir heute schon seit langer Zeit frei und demokratisch. Leider haben das die Leute damals nicht verstanden. Sie haben sich von den Machthabern manipulieren lassen. Sie sind nun geradezu süchtig nach der Idee, dass wir Araber sind und dass man mit der Religion die Werte und Traditionen bewahren kann. Schändlicherweise haben wir die Kabylei aufgegeben, sich selbst überlassen und ebenso den Repressionen des algerischen Regimes. Und dieses Regime ist sehr intelligent. Es hat verstanden, dass die große Gefahr nicht von den Franzosen, den Deutschen, den Amerikanern oder den Russen ausgeht, sondern von den Kabylen. Also haben sie die Kabylei unter größtmögliche Überwachung gestellt: systematische Kontrolle, sehr intelligent und geistreich und es ist ihnen geglückt. Die Kabylei ist heute zerstört. Aber das Feuer ist noch nicht erloschen. Das heilige Feuer ist noch da. Ich werde euch sagen, warum ich immer noch daran glaube, obwohl die Kabylei heute zerstört ist.

Ich wohne direkt nebenan und ich fahre da immer hin, weil ich ein bisschen ein Revolutionär bin und ich laufe also hin, um zu sehen, ob es etwas zu tun gibt, wie man helfen könnte... die Leute da sind antriebslos geworden. Jenes wurde eben bereits in Lyazid Abids Rede erwähnt – sie wurden antriebslos durch die Drogen, den Alkohol, die Infiltrationen und psychologische Manipulationen. Das ist furchtbar und es bricht einem das Herz. Das, was außergewöhnlich ist, und das ist wirklich bemerkenswert, dass muss man unbedingt anmerken, ist die Tatsache, dass die Kabylei niemals zur Gewalt gegriffen hat. Sie hat für ihre Würde, ihre Kultur und für Demokratie in Algerien gekämpft. Jenes hat sie immer mit demokratischen Mitteln, mit Büchern, Liedern, oder friedlichen Märschen, mit den engagierten Bürgern, die Vereine gegründet haben und mit Erklärungen usw. vollführt. Das ist bemerkenswert und muss unbedingt betont werden, denn wenn wir sehen, was in den anderen Ländern vor sich geht, in Tunesien, Libyen und Syrien... Hier verwandelte sich die Bewegung sehr schnell in Gewalt. In der Kabylei niemals! Und das ist bemerkenswert. Es ist von neuem der Beweis, dass die Demokratie dort bereits vorhanden ist und dass dies eine Region ist, welche mit großen Schritten, ohne weitere Vorbereitung der Demokratie entgegen gehen kann, weil die Demokratie bereits Teil ihrer Kultur ist. Dies hat kulturelle und organisatorische Gründe, die wir hier nicht weiter ausführen können, weil jenes den Rahmen sprengen würde. Es liegt in der Tradition dieses Volkes sich mit Worten zu regieren. Man diskutiert und erledigt die Dinge dann gemeinsam. Ich würde auch gern ein paar Worte zur Entlastung der anderen Berber sagen, die sich nicht der Revolution der Kabylen angeschlossen haben. Das algerische Volk besteht zu 80%, um nicht zu sagen zu 100% aus Berbern. Letztenendes kann man über die Zahl streiten... Es gibt auch Leute, die behaupten, dass wir Berber nur 10% der Bevölkerung stellen, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Es gibt unterschiedliche Typen von Berbern. Es gibt natürlich die Tuareg. Das sind die Leute aus dem Süden, eine alte Zivilisation, viele tausend Jahre alt. Sie stecken noch inmitten einem historischen Prozess, der, bei näherer Betrachtung zeigt, warum sie sich nicht der berberischen Revolution im Norden, in der Kabylei angeschlossen haben, denn sie befinden sich noch in einem anderen Zeitalter. Sie sind Nomaden und der Begriff des Staates, der Republik und der Demokratie sind total abwesend in ihrer Kultur. Somit haben sie auch nicht verstanden, was damals in der Kabylei vor sich ging. Es gibt des Weiteren auch noch die Mosabiten, welche einer separaten islamischen Strömung angehören. Sie sind etwa vergleichbar mit den Amish-People in den Vereinigten Staaten, oder den Mormonen. Sie bevorzugen es unter sich zu bleiben, anstatt sich einzumischen, was im Land so von statten geht. Sie werden kaum als Algerier angesehen. Es gibt noch weitere Berber, wie die Berber von denen ich auch einer bin, die Rifbevölkerung in Marokko. Man nennt sie auch Kabylen (Rifkabylen). Auch wir, wir sind sehr kriegerisch. Wir haben im letzten Jahrhundert gegen das marokkanische Königreich revoltiert. Daraufhin wurden die Repressionen in Marokko gegen die Berber des Rif unhaltbar und seitdem sind diese revolutionären Vorgänge in dieser Region zerstört. Meine Großeltern welche in Marokko lebten, gehörten zu denjenigen aus diesem Volk, welche gegen den König aufbegehrten. Sie sind in den dreißiger oder vierziger Jahren aus Marokko nach Algerien geflohen. Daher sind all diese Berber in Algerien verstreut. Wir schaffen es nicht uns zu organisieren. Ich habe versucht links und rechts jemanden zu kontaktieren, aber erfolglos. Der größte Teil von ihnen wurde arabisiert und verstehen diese Sachen schlichtweg gar nicht mehr. Schlussendlich gibt es nur noch die Kabylei. Aber leider kann man zwangsläufig beobachten, dass seit Bouteflika im Amt ist, das Regime den kabylischen Widerstand gebrochen hat. Jenes war für mich ein furchtbarer Schmerz, denn hiermit waren ja alle Hoffnungen der Befreiung und der Demokratisierung des Landes verbunden, und stürzten nun in sich zusammen. Jenes hat zur massiven Auswanderung der verfolgten Kabylen geführt. Sie verlassen die Kabylei auf der Suche nach Verhältnissen eines würdevollen und angemessenen Lebens. Hoffnungslos, wandern sie in andere Regionen Algeriens oder ins Ausland ab. Und nach ein paar Jahren, auf Initiative einiger Personen, unter ihnen Ferhat Mehenni, fangen die Leute nun an, sich auf einem neuen Fundament zu organisieren. Ein Fundament, an das ich sehr Glaube. Bis heute haben sich die Kabylen im Namen des gesamten Algeriens geschlagen. Das ist unter Umständen zu viel für ein Land, eine Region, die unter strenger Beobachtung steht, dessen dortige Bevölkerung es ablehnt das Spiel der Machthaber mitzuspielen, dafür aber im Gegensatz auch noch die Demokratie fordert. Hier kommt die Kabylei wieder zu einem lebensfähigen Projekt.

Ich persönlich glaube daran, weil es ein kleines Projekt ist, welches nicht das ganze Land betrifft. Es ist ein Projekt für die Kabylei. Die Kabylei schlägt sich jetzt für ihre Autonomie. Das erste Ziel kann nun meines Erachtens, durch zwei Umstände erzielt werden: Natürlich könnte man mit harten Bandagen mit der Zentralregierung ein paar Freiheiten aushandeln. Ihnen sagen: gewähren Sie uns bitte unsere Autonomie für unsere Kultur, Wirtschaft, und so weiter. Man könnte sich einigen. Ich mag diese Vorgehensweise nicht wirklich, denn jene gibt den Machthabern einen Knüppel in die Hand, um auf uns einzudreschen. Ich bin für eine verantwortungsvolle Vorgehensweise. Ich ordne meine Autonomie an und es ist dann an Ihnen zu mir zu kommen, um mit mir zu verhandeln. Ich denke, dass diese außerordentliche Handlung der MAK-Gründer eine sehr symbolische Bedeutung hat. Sie haben weder gewartet, noch sind zu irgendwelchen Regierungen, Parteien oder Sonstigem gegangen, um ihnen mitzuteilen, dass man kämpfen wird, um irgendeine Kleinigkeit hier oder da zu bekommen. Das ist nämlich das, was die Leute 30 jahrelang gemacht haben, aber geführt hat es zu nichts. Jenes hat uns nichts als Repressionen, Unterdrückung und Korruption eingebracht. Aber nun agieren sie als Revolutionäre. Der Revolutionär, der den Kampf aufnimmt und der sich mit einfachen Worten befreit:

Ich bin autonom.

Jetzt können Sie zusehen, wie Sie mit Ihren Problemen zurechtzukommen. Sie können es akzeptieren oder nicht, das ist jetzt Ihr Problem. Was soll ich sagen, ich habe eine revolutionäre Mentalität, was auch gut so ist und genau aus diesem Grunde schließe ich mich den M.A.K. - Aktivisten an. Und wir werden uns für dieses Ziel einsetzen. Wir werden unsere Autonomie erklären und uns für sie einsetzen. Die Machthaber sind ziemlich aus der Fassung deswegen. (tosender Applaus bricht im Saal aus!) Ich kenne die. Sie sind dabei Nachzudenken, weil das etwas Neues ist. Verhandeln? Mit wem? Wir vor ein paar Jahren, als es noch die Organisation der «Archs» gab (Bürgerliche kabylische Bewegung) wo Delegierte entsandt wurden, um mit den Machthabern zu verhandeln. Soll man mit seinem Henker Verhandeln? Mit demjenigen, der Ihnen den Kopf abschlagen wird? Derjenige, der Ihren Kopf unters Hackebeil legt? Und der, der eine Wut auf Sie hat? Sie verhandeln mit dem? Das hat nicht lange gedauert. Das Regime hat sie gekauft. Es hat ihnen Geld gegeben, Autos usw und alles ist wieder in Ordnung. Da wo wir jetzt sind, steht zum ersten Mal in der Geschichte eine echte revolutionäre Entscheidung an. Ganz so wie im Jahre 1954, als in einem Café fünf oder sieben Algerier gesagt haben: morgen nehmen wir die Waffen, um dieses Land zu befreien. Diese Vorgehensweise macht allmählich die Runde. Die Bewegung für die Autonomie der Kabylei wurde gegründet, das ist noch nicht lange her, aber es gibt bereits Fortschritte. Ich sage Ihnen das, weil ich viel reise und viele Leute treffe und ich konstatiere, dass die hohen Verantwortlichen in Deutschland, Minister, Präsidenten der Republik und andere anfangen, bei dieser Idee die Ohren zu spitzen. Weil dies eine vollkommen neue Vorgehensweise in unserem Land und überhaupt in Afrika ist.

Wir machen keinen Krieg, wir machen keine Spaltung, wir randalieren nicht. Wir nehmen einfach unsere Autonomie, übernehmen uns selbst und finden unsere Würde, unseren Stolz wieder, und werden auch wieder Herr unseres Landes und jenes wird Schule machen. Ich denke zum Beispiel an viele Regionen in Algerien und außerhalb. In Libyen gibt es auch sehr autonome berberophone Regionen, welche gut organisiert sind, welche diesem Beispiel folgen werden. Viele europäische Länder interessieren sich, sie sind bereit bei den Maßnahmen zu helfen, wo das MAK ein interessantes Projekt repräsentiert. Also, in all diesen Punkten bin ich sehr optimistisch. Die Vorgehensweise ist richtungsweisend. Ich habe einen Ihrer Minister hier in Deutschland getroffen und habe ihm die Vorgehensweise erklärt. Natürlich hat er viele Fragen, die er sich stellt: juristische, politische, etc. Dieses Experiment ist vollkommen neu. Er sagte mir: «Ah, das ist sehr interessant: Könnte eine solche Vorgehensweise nicht auch eine Lösung für die Türkei und die Kurden sein?» Allerdings! Aber die Kurden haben eine andere Vorgehensweise gewählt. Sie haben die PKK gegründet und sind in einer Organisation des bewaffneten Kampfes für ihre Autonomie oder ihre Unabhängigkeit, das ist nicht ganz deutlich. Jenes ist nicht der Fall für die Kabylei. Die Kabylei kämpft im Augenblick nicht für ihre Unabhängigkeit.

Allerdings könnte sie dazu getrieben werden, wenn morgen die Repressionen des Regimes so sind, dass sie sich in die Enge getrieben fühlt, zumal solche Bedingungen in der Kabylei ohnehin schon gegeben sind. Jenes hoffe ich aber nicht, weil die Kabylei Anrecht auf Algerien hat, wie jede andere Region. Man könnte ebensowenig das Erdöl oder die Sahara aufteilen. Das Beste wäre zusammen zu bleiben und die Idee der Autonomie zu fördern. Und dann müsste man das Ganze natürlich rechtlich besser verkaufen. Wird das eine Autonomie wie in Spanien oder wird es wie mit den deutschen Bundesländern oder politisch anders organisiert? Natürlich, man muss darüber nachdenken.

Wäre das eine vollkommene Souveränität, usw.? Im Moment sieht es so aus, dass die Autonomie der Kabylei mein Traum ist und ich denke, dass es ebenfalls der Traum derer ist, die sich für die Bewegung der Autonomie einsetzen. Wir hoffen, dass sie in alle Regionen der Landes einzieht für eine Erneuerung und einen Wiederaufbau in Bezug auf ihre Berberidentität in den unterschiedlichsten Dimensionen, demokratisch, weltoffen und ihre Wurzeln wiederfindend, ihre alte Zivilisation, welche die unsere ist, eine okzidentale Mittelmeerzivilisation. Und nun? Wie wird die Geschichte ausgehen? Man weiß es nicht. In zehn Jahren können wir eine andere Konferenz machen und wir werden teilweise Antworten auf diese Frage haben.

(Boualem Sansal)

Niedergailbach, Saarland, Deutschland, den 22.01.2012

Übersetzung: Uli Rohde, Ahmed Amrioui

Presseberichte Boualem Sansal zu Gast bei der DKF

http://www.saarbruecker-zeitung.de/sz-berichte/stingbert/Niedergailbach-Menschenrechte-Demokratie-Vortrag-Boualem-Sansal;art2794,4141830

http://www.pfaelzischer-merkur.de/region/saarpfalz/blieskastel/art27514,4154835

http://wochenspiegel.staging.wochenspiegel.itstrategen.com/content/nachrichten/archiv/archiv-artikel/article/sansal-lesung/